31.08.2018

Kommentar - über die Entwicklung des eMTB-Sports

Mit einer der weltgrößten Fahrradmessen, der Eurobike, wird erkennbar wohin der Trend einer Branche geht. Heuer, 2018 ist das eBike, bzw. das Pedelec in aller Munde und ist Verkaufsschlager der Fahrradbranche. Vor allem das eMTB hat in den letzten Jahren eine populäre Entwicklung hinter sich und genießt langsam aber sicher selbst in der klassischen Biker-Welt eine gewisse Akzeptanz oder zumindest Toleranz. Gepaart mit den aktuellen Entwicklungstendenzen ergeben sich jedoch Besonderheiten, über welche es nachzudenken gilt.


Höher, schneller, weiter - so lautet das menschliche Credo naturgemäß, wenn es darum geht Evolutionär voranzuschreiten. Auf selbigem basiert eine Marktstrategie um Verkäufe anzukurbeln und neue Produkte einer breiten Käuferschicht schmackhaft zu machen. Bezogen auf den Pedelec-Markt bedeutet dies, dass das Verlangen nach neuer Technik ein stets ungestilltes Bedürfnis zu sein scheint - für dieses Verlangen haben wir in der Vergangenheit bereits eine Vielzahl an Entwicklungen im MTB-Sport kommen und gehen sehen.
Viele Erfindungen und Konstruktionen davon hatten Substanz und brachten das Mountainbiken in seiner ganzen Vielfalt bis heute dahin, wo es steht, sei es mit oder ohne "E".

Der (e)MTB-Sport lebt von Entwicklungen - die größte war ohne Frage die Integration des Elektromotors!


Die bisher extremste Entwicklung im MTB-Sport

Die jüngste und zugleich stärkste Entwicklung jemals ist ohne Zweifel die Elektrifizierung des Mountainbikes in Form eines Hilfsantriebs. Dies spaltete die MTB-Welt zunächst in zwei Lager, womit zahlreiche emotional geprägte Konflikte einhergingen.
Zwischenzeitlich empfinde ich es jedoch so, dass wir eMountainbiker in der klassischen, motorlosen Biker-Welt eine gewisse Art der Akzeptanz und Toleranz erfahren dürfen. Die unqualifizierten Sprüche, die sicherlich jeder von uns schon einmal an den Kopf geworfen bekommen hat, finden nur noch äußerst selten statt - gehören eigentlich schon der Vergangenheit an.

Wie MTB-Fahrer heute zum Motor stehen

Um diese Akzeptanz zu erreichen, war meiner Ansicht nach eine gewisse Form der Rücksichtnahme gegenüber den klassischen Bikern erforderlich. Immer einen freundlichen Gruß oder beim Überholen vielleicht hin und wieder eine dezente entschuldigende Geste. Parallel dazu jedoch aufzeigend, welche neue Möglichkeiten ein eMTB mit sich bringen kann, waren hier förderliche Faktoren den eMTB-Sport zu etablieren.

Sport, Spaß, das Erlebnis in der Natur, sowie das Miteinander sind die wesentlichen, positiven Eigenschaften, die das Erlebnis eMountainbiken auszeichnen.


eMTB-Entwicklung: Vom Mountainbike zur Moto-Cross Maschine?

Die Eurobike ist das Barometer für die Trends des nächsten Jahres. Ein paar Neuerungen im Bereich des eMTB-Segments haben mich in diesem Jahr allerdings schwer zum Nachdenken gebracht, weil sie meiner Ansicht nach die Akzeptanz des eMountainbikes-Sports in ernsthafte Gefahr bringen könnten.

So sorgen beispielsweise aktuell immer stärkere Antriebssysteme für eine massenhafte Begeisterung potenzieller Käufer - höher, schneller, weiter muss es sein, damit es gut erscheint.
Dabei haben wir aktuell bereits Antriebssysteme auf dem Markt, die über so viel Kraft verfügen, dass diese über spezielle Software Modi so angepasst werden müssen, dass sie im schwierigen Gelände nicht zu viel Leistung entfalten und fahrbar bleiben.

e-Bike Tuning, starke Motoren und die Grenzen des Gesetzes

Damit einher geht, dass die Pedelec-Szene ein enormes Problem mit Tuning Maßnahmen hat.
Genau Zahlen gibt es dazu nicht, aber schätzungsweise ist jedes vierte, sportlich betriebene Pedelec"offen". Auch hier zeigt sich die gedankenlose höher, schneller, weiter Mentalität deren folgen sich bereits in einer generellen Versicherungspflicht für Pedelecs abzeichnen.
Zähle ich hier eins und eins zusammen, komme ich zu dem Schluss, dass noch leistungsstärkere Antriebssysteme nur dann Sinn machen, wenn sie über der gesetzlich regulierten Grenze von 25km/h betrieben werden und damit ausgefahren werden können. Hier passt also etwas nicht zusammen.

Ob es für die gesellschaftliche und politische Akzeptanz förderlich ist, wenn eMountainbikes schneller als 25km/h den Berg hinauf fahren, muss jeder für sich selbst beantworten. Ich sehe in diesem Zusammenhang jedoch große Probleme auf uns Pedelec-Biker zukommen, sollte sich dieser Trend bestätigen. Es würde Sinn machen, sich weiter an der klassischen Bike-Welt zu orientieren, da diese sich bereits seit Jahrzehnten erfolgreich für Akzeptanz und dem Miteinander mit anderen Naturfreunden engagiert und gekämpft hat.

Wenn Schaltung und Reifen sich am Motorsport orientieren

Eine weitere, interessante Entwicklung im Bereich der eMountainbikes, die ich an dieser Stelle in Frage stellen möchte, sind Systemkomponenten wie eine SRAM EX1 Schaltung oder die aktuell schwer angesagte Mischbereifung aus breitem 27,5"+ Hinterreifen und schmalem großen 29" Laufrad in der Front. Diese gefährden in erster Linie zwar nicht das Momentum, unterstreichen jedoch einen Trend.

Für Fahrer, die am liebsten in den hohen Unterstützungsstufen fahren, ist die EX1 die optimale Gangschaltung, denn mit großen Gangsprüngen ist sie optimiert auf hohe Motorpower.


Zur SRAM EX1 hatte ich bereits meine Erfahrungen in Text und Video bis ins kleinste Detail festgehalten. Es stellt sich mir jedoch nachhaltig die Frage, ob man diese Schaltung in der Entwicklungszeit aufgrund ihrer Eigenschaften immer nur unter der maximalen Unterstützungsstufe gefahren hat? Darunter macht es kaum Sinn, da die Gangsprünge zu groß sind und so das effiziente Pedalieren eingeschränkt wird. Also ein spezifische eBike-Schaltgarnitur nur für Fahrten mit maximaler Power?

Den Trend Mischbereifung aus 27,5"+ im Heck und 29" in der Front am eMTB kann ich aufgrund meiner Erfahrung in den letzten sechs Jahren Pedelec-Biken kaum nachvollziehen. Die Argumentation lautet in diesem Fall ja, maximaler Grip auf dem Hinterrad durch die breite Auflagefläche und Spurtreue durch das verhältnismäßig schmale, große Vorderrad - eben wie am Motocross Bike.
Nun ist es aber so, dass ein Pedelec-Antrieb samt Biker-Power vielleicht höchstens um die 1,2 KW auf das Hinterrad bringt, eine Motocross Maschine hingegen 25 - 40 KW. Ein Unterschied.

Meine Meinung zu Mischbereifung

In der Praxis zeigte sich zudem, dass vor allem unter matschigen Bedingungen auf weichem Untergrund der breite Plus-Reifen eher zum Weggleiten tendierte als ein Reifen in klassischer Breite bis 2,5".

Mit meinem Specialized Turbo Levo FSR hatte ich im vergangen Jahr viel mit unterschiedlichen Laufradgrößen herumexperimentiert. Klares Fazit hier - 29" Laufräder mit 2,35" Reifen an beiden Achsen machten das Rennen im Allmountain Betrieb, da hier die beste Performance aus einer ausgewogenen Balance, Laufruhe, Grip und Abrollverhalten gegeben ist.
Im meinem aktuellen Lieblings-Enduro eMTB, dem Focus Sam² PRO ist im Heck sogar ein 2,4" Reifen und vorne ein 2,5" Reifen verbaut und dieses Paket arbeitet bisher absolut perfekt.
Zu welchem Zweck also hinten einen breiten und schweren 27,5+ Reifen aufziehen?
Bin ich Motocrosser oder Pedelec-Biker?

Zwei entgegengesetzte Entwicklungstendenzen im eMTB-Sport

Versteht mich bitte nicht falsch, ich möchte an dieser Stelle nicht nur über die derzeitige eMTB-Entwicklung meckern. Es gibt auch ganz viele tolle Innovationen, die mich in diesem Jahr begeistert haben - beispielsweise den Fokus auf Gewichtsreduktion, wie wir ihn bei vielen Herstellern beobachten konnten. Und ganz klar ist auch: Jeder Biker ist anders und hat andere Vorlieben und mit Sicherheit gibt es viele unter euch, die die Entwicklung zu stärkeren Motoren und dazu passenden Systemkomponenten begrüßen. Ich habe in der letzten Zeit aber viele Gedanken gemacht und möchte diese einfach mit euch teilen.

Zu diesen Gedanken zählt auch, dass der Markt seltsamerweise gerade zwei Entwicklungstendenzen hat - eine brachiale kraftbasierte und eine Entwicklung, die den Elektroantrieb am eMTB eher subtil einsetzen möchte und stattdessen auf verringertes Gewicht setzt und das eMTB wieder näher an das herkömmliche MTB bringt.

Weniger Kraft und weniger Gewicht am eMTB

Bestes Beispiel ist hier der Evation Fazua Antrieb über welchen wir bereits im Focus Raven² PRO ausführlich berichteten. Ein kleines, leichtes und flexibel einsetzbares Pedelec-Antriebssystem, welches optisch unscheinbar ist und komplett im Unterrohr verschwindet.
Mit einer vergleichbar geringen Spitzenleistung unterscheidet sich dieser Antrieb etwas von den etablierten Mittelmotoren auf dem Markt. Besticht im Gegenzug aber mit einer unglaublichen Effizienz. Eine zukunftsweisende Entwicklung fernab faszinierender Zahlen, die bereits die ersten Fullys mit Fazua-Antrieb auf den Markt gebracht hat.

Mein Fazit zur Entwicklung des eMTB-Sports


Letztendlich muss sich jeder überlegen, welche Trends er mitmachen möchte, welche Art und welches Maß der Verantwortung die richtige ist. Will ich mit einem getunten eMTB mit 35km/h den Berg hinauf bohren, muss ich mir darüber im Klaren sein, dass ich mich damit vom etablierten Umfeld der motorlosen Biker und Wanderer deutlich abhebe. Konsequenzen, die bis zu einem generellen Verbot von eMTBs im Wald reichen, wären denkbar.
Jeder Konsument kann durch sein Verhalten letztendlich mitbestimmen wohin der Trend geht, er sollte sich nur nicht treiben lassen und hin und wieder etwas mitdenken.

Insgesamt spreche ich mich weiter dafür aus, dass eMTBs in erster Linie leichter werden müssen. Die etablierten Antriebssysteme wie sie auf dem Markt sind, verfügen alle über eine ausreichende Leistung, um nahezu jede Steigung zu bewältigen. Hier gibt es also wenig Bedarf zur Leistungsoptimierung, evtl. eher zu den Freilaufeigenschaften und zur Gewichtsreduktion.



Wie seht ihr die aktuelle Entwicklung und wie ist euer Umgang damit?



Weitere Links zum Thema
- eMountainbikes 2019 - Perspektivischer Blick auf die Branchenentwicklung
- dein neues eMTB jetzt Probe fahren!


Zuletzt aktualisiert am 19.07.2018

Verfasst von WillLee

3 Kommentare:

  1. Interessante Feststellung in Sache Reifen Breite und Größe. Ich bin jetzt auch von 2.80 auf 2.50 zurückgerudert und das Bike fährt sich damit viel agiler und einfach besser.
    Viele Grüße

    AntwortenLöschen
  2. Recht hat er!

    Wer kann den ein Rad mit 3.xx Bereifung ohne Unterstützung wieder nach Hause bewegen, KEINER!? Das ein Rad mit Motor mehr als ein normales MTB wiegt ist klar. Aber alles über 25kg ist einfach zu schwer und der Akku kann ja auch nicht unendlich viel Leistung haben, um die Dickschiffe efizient zu bewegen.
    So ein EMTB sollte um die 20kg wiegen und wie ein Rad aussehen/ fahren...

    AntwortenLöschen
  3. du schreibst oben, dass du seit längerer zeit eine gewisse zeit akzeptanz oder toleranz in der bike welt findest....nun bääähhhm jetzt kriegste eine. eMTB-sport gibt es nicht - das ist absolut kein sport. und hör auf dir das einzureden. wenn du wirklich sport machen möchtest fahr ohne motor den berg hoch. hör auf dich und andere anzulügen...nochmals DAS IST KEIN SPORT. das wird wieder mal nur so von der industrie positioniert und du und alle anderen lemminge rent hinterher.
    ein Motor an nem MTB hat allenfalls im ausnahmefall nur dann sinn wenn ein wesentlich stärkerer sprich sportlicherer mit einem wesentlich unfitteren biker ne längere tour fahren möchte und kein bock hat immer zu warten (die meisten wissen was ich meine oder). aber selbst da kann man sagen: du schwacher geh mehr selber treten dann wirst du auch stärker.

    was ich keinesfalls verneinen möchte sondern absolut befürworte sind pedelecs als teil eines neuen mobiltäts-konzeptes. das gehört noch viel mehr gefördert (infrastruktur etc...)

    aber zum schluss nochmals und mit aller vehemenz: eMTB ist kein Sport und die die eMTB fahren sind WEICHEIER. so jetzt genug des bashings - geht raus radfahren und zwar ohne Motor

    AntwortenLöschen